Die Giganten des Regenwaldes erforschen
Amazonas Expedition, Brasilien
Tief im Amazonasgebiet befindet sich ein Ort, an dem man, umgeben von der Wildnis und all ihren Bewohnern, den Regenwald auf außergewöhnliche Weise erleben kann. Reisejournalist Marco Barneveld und Fotograf Frits Meyst gingen auf Expedition.
Der Amazonas ist wild, ungezähmt, ungezähmt, ein lebender Organismus, in dem alles verbunden zu sein scheint. Hier ist der Mensch kein Herrscher, sondern nur ein Besucher.
Es ist aufregend, soviel ist sicher. Der Amazonas ist wild, ungezähmt, ein lebender Organismus, in dem alles verbunden zu sein scheint. Hier ist der Mensch kein Herrscher, sondern nur ein Besucher. Demut ist angebracht. Jeder, der denkt, dass er hier einfach so reinspazieren kann, riskiert Leib und Seele. Die Auswahl illustrer Möglichkeiten, im Regenwald zu sterben, ist groß. Führer Samuel Basilio kennt den Dschungel besser als jeder andere. Führer Samuel Basilio kennt den Dschungel wie kein anderer. Als Späher in der brasilianischen Armee war er zwei Jahre lang ununterbrochen in der Mitte dieses Waldes stationiert, abhängig von dem, was er in der Wildnis zum Überleben fand. Und wie man überlebt, das ist seine zweite Natur als Nachkomme der zweiten Generation aus zwei indigenen Indianerstämmen: dem Baré väterlicherseits und dem Baniwa mütterlicherseits.
Manaus
Es scheint Jahrhunderte her zu sein, seit wir vorgestern Manaus, die Hauptstadt des Amazonas, die größte der 26 brasilianischen Provinzen, verlassen haben. Zum Vergleich: Die Provinz Amazonas ist so groß wie Frankreich, Deutschland und Spanien zusammen. Die Niederlande passen fast 37 Mal hinein. Dennoch ist das Gebiet dünn besiedelt, nur vier Millionen Menschen leben hier, die Hälfte davon in Manaus. Während des Kautschukbooms ab etwa 1880 wurde die Stadt sehr reich. Als der Gummipreis ab 1910 deutlich zurückging, verfiel die Stadt.
Manaus sieht unwirklich aus. Eine Mega-Stadt voller hässlicher, von Schimmel befallener Betonkolosse mit wenigen erhaltenen Juwelen aus der Glanzzeit. Wie die neoklassizistische Oper ‘Teatro Amazonas’ aus dem Jahr 1896. Die Kautschukbarone waren große Verschwender, so lange sie Geld hatten. Was für ein Standort für eine Millionenstadt: mitten im feuchten Dschungel, am Ufer des Rio Negro und des Rio Solimões, die sich unweit Manaus zum Amazonas vereinen. Ein Spektakel namens ‘Encontro das Águas’, portugiesisch für ‘Begegnungswasser’. 6 km lang fließen das warme blauschwarze Wasser des Rio Negro und das kühlere, sandfarbene Wasser des Rio Silimões langsam nebeneinander her. Wer nach Manaus reisen möchte, tut das am besten mit dem Flugzeug oder dem Boot. Das Straßennetz ist marode. Oft sind die Wege zugewachsen oder in der Regenzeit ganz weggewaschen. Außerdem sind die Entfernungen enorm. Die Fahrstrecke von Rio de Janeiro nach Manaus beträgt über 4.300 Kilometer. Das entspricht der Luftlinie von Berlin bis zum Nordpol.
Ein Spektakel namens ‘Encontro das Águas’, portugiesisch für ‘Begegnungswasser’.
Manaus ist unser Stopover auf dem Weg zu Vanessa Marino und Leo Principe, etwa 140 Kilometer nördlich von hier, in der Gemeinde Presidente Figueiredo. Die ursprünglich aus Venezuela stammende Vanessa und der französisch-italienische Naturschützer und Fotograf Leo kauften hier vor einigen Jahren über 270 Hektar Land, eine Fläche so groß wie der Innenstadtbereich von Utrecht. Sie errichteten dort ihr Haus, in dem sie mit ihren drei Kindern und Vanessas Mutter leben. Und auch ein Gästehaus bauten sie auf dem Gelände. Mit ihrer Firma ‘Amazon Emotions’ empfangen sie in kleinem Rahmen Besucher und vermitteln ihnen die Schönheit des Regenwaldes. Der Empfang ist so herzlich und warm, dass ich mich gleich wie ein Freund der Familie fühle und nicht wie ein zahlender Gast.
Das Haus ist auf einem Hügel gebaut, einem der höchsten Punkte im Umkreis. Ich liege in meiner Hängematte auf der Veranda des Gästehauses und blicke von links nach rechts auf ein riesiges atmendes Grün, den Regenwald. In der Ferne höre ich das Heulen von Brüllaffen und das Kreischen von Papageien. Das Dach des Dschungels färbt sich violett von den Blumen, dazwischen weiße Nebelschwaden. Düfte von frischer Fäulnis, Erde, Hitze und Humus durchdringen meine Nase. Der Geruch von Fruchtbarkeit. Es ist fast unwirklich, dieser Blick über die lilafarbenen Bäume, dieser Anblick eines unberührten Planeten.
Sechzig Prozent der Biodiversität des Amazonas sind in den Baumkronen zu finden. Leo entwickelte eine nicht-invasive Technik, um die Giganten des Regenwaldes zu besteigen.
Schwarze Erde
Leo ist fasziniert von den landwirtschaftlichen Techniken der alten Zivilisationen, insbesondere von Terra Preta. “Terra Preta ist ein sehr fruchtbarer schwarzer Boden, der zehn Prozent des Amazonasbeckens bedeckt”, sagt Leo auf dem kleinen Feld, auf dem er versucht, diesen künstlichen Boden zu reproduzieren. „Dieser Boden ist sehr fruchtbar und laugt kaum aus. Terra preta wurde erstmals vor etwa 2.500 Jahren geschaffen. Er entsteht durch die Herstellung von Holzkohle aus bestimmten Pflanzen der Gegend und deren Vermischung mit dem bereits vorhandenen Boden. Terra preta wirkt nicht nur wie ein wasser- und nährstoffhaltiger Schwamm, sondern fördert auch den langsameren Abbau des Humusboden und es bilden sich Kolonien von Mikroorganismen, die eine langfristige Nährstoffversorgung gewährleisten. Erstaunliches Zeug“.’
“Dieser Boden laugt kaum aus.”
Aber es ist nicht nur die Terra Preta, die ihn fasziniert, er forscht auch nach anderen Spuren vergessener Zivilisation. Er zeigt mir Luftbilder, auf denen große Kreise sichtbar sind. “Wir haben herausgefunden, was diese Kreise waren: riesige Fischteiche. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Indianer diese Fischteiche ausgehoben haben, sie sind eindeutig von Menschen angelegt worden. Um die Teiche herum gab es mehrere Arten von fruchttragenden Bäumen wie Açaí und Lupuna. Sie wurden so ausgewählt, dass sie das ganze Jahr über Früchte produzieren. Da die Bäume am Wasser standen, fielen die Früchte in den Teich. Futter für die Fische. Das ganze Jahr über. Ohne dass die Indianer selbst etwas tun müssen. Genial, oder?”. Leo tippt mit seinem Zeigefinger auf den Boden. “So einen Teich will ich hier auf unserem Land bauen.”
Auch ich füttere den Halm mit Pulver und blase ihn in meine Nase. Ein scharfer Blitz schießt durch meinen Kopf, Tränen füllen meinen Augen.
Höhlenreinigung
“Willst du mal probieren?” Leo winkt mich zu sich und gibt mir eine Art Bambusstrohhalm mit zwei Enden. “Damit reinigen die Indianer ihre Höhlen.”, erklärt er mit einem Fingerzeig auf seine Nase und schelmischem Lächeln. “Ich mach’ dir das mal vor.” Er öffnet eine kleine Kiste und entnimmt mit Daumen und Zeigefinger ein braunes Pulver. Leo friemelt das Pulver in ein Ende des Halmes und steckt sich dann den Halm in den Mund. Das andere Ende führt er in eines seiner Nasenlöcher. Dann pustet er. Leos Gesicht verzieht sich. Jetzt reicht er mir den Bambusstrohhalm. Ich füttere den Halm mit Pulver und blase ihn in meine Nase. Ein scharfer Blitz schießt durch meinen Kopf, Tränen füllen meinen Augen. “Gut. Jetzt putz’ dir die Nase”, sagt Leo. Ich will nicht ins Detail gehen, aber mein Kopf entleert sich gewaltig. Und dann rieche ich alles dreimal so intensiv. „Im Dschungel brauchst du alle Sinne “, erklärt Leo, „eine verstopfte Nase kann ein Handicap sein. Mit diesem Geheimrezept löst du das Problem.“
Leos Worte gehen mir durch den Kopf als wir später durch den Regenwald wandern und nach einem geigneten Ort für unser Nachtlager suchen. Führer Samuel weist uns den Weg. Mit seiner Machete schlägt er gelegentlich Pflanzen ab, die uns den Weg versperren. Plötzlich hält er an und reißt seine Handfläche hoch. Langsam, fast unheimlich, bewegt er seinen Kopf in alle Richtungen und schnuppert die Luft. Er flüstert: “Kannst du es riechen?” Auch ich schnüffle an der Luft, komme aber nicht weiter als feuchte Erde, verrottende Pflanzen und Pollen tropischer Blumen. Samuel nickt in nördliche Richtung. Ich richte meine Nase in die gleiche Richtung ohne Ahnung, was er mir eigentlich sagen will. Dann flüstert er: “Jaguar”. Schlagartig bin ich so wach wie nach dem Pulver-Nasenschuss. Ich schaue mich um. Jaguare haben die Angewohnheit, ihre Beute von hinten anzuspringen, um deren Schädel mit einem Biss außer Gefecht zu setzen. Gestern noch erzählte mir Samuel, dass ein Mitglied seiner Familie von dem nächtlichen Jäger angegriffen und verschleppt worden war.
Keine Ahnung, was er mir eigentlich sagen will. Dann flüstert er: “Jaguar”.
Ich höre etwas rascheln und zucke zusammen. Doch Samuel entspannt sich und aus seiner Haltung schließe ich, dass die Gefahr wohl gebannt ist. “Als mein Familienmitglied verschwand, haben wir davon abgesehen, den Jaguar aus Rache zu töten. “, erzählt er. “Wir fingen ein Wasserschwein, ein riesiges Nagetier, und opferten es dem Jaguar. Im Dschungel ist der Jaguar König. Samuel richtet seine Machete auf, kappt einen Ast und hält das verbleibende Stück mit seinem Daumen auf der Spitze. “Öffne deinen Mund”, sagt er, und gießt mir kühle Flüssigkeit aus dem Ast in meinen Mund. Köstlich. Man muss wissen, wo man schneiden muss”, erklärt Samuel. An der richtigen Stelle schädigst du den Baum nicht und in nur einer Woche wächst ein neuer Zweig heraus. Wenn du den Dschungel gut kennst, musst du nie Hunger oder Durst leiden. Samuel weist uns den Weg, hin und wieder zeigt er uns einen weiteren coolen Dschungeltrick: wie man innerhalb einer Minute einen Speer herstellt oder eine Pflanze, aus der man superschnell ein Seil oder einen Speer basteln kann.
Amazonas Fakten
- Der Amazonas-Regenwald ist etwa 5,5 Mio. Quadratkilometer groß. Das ist etwa 192 Mal so groß wie die Niederlande.
- Etwa 20 % des Sauerstoffs unserer Erde werden von den Bäumen im Amazonas produziert. Der Amazonas hat einen enormen Einfluss auf das Klima und die globale Erwärmung. Schließlich speichern die Bäume eine riesige Menge Kohlenstoff.
- In den vergangenen 50 Jahren wurden etwa 20 % des Regenwaldes im Amazonas abgeholzt.
- Der Amazonaswald beherbergt eine unglaubliche Fülle an Leben: etwa 16.000 Baumarten, 2,5 Mio Insektenarten, 40.000 verschiedene Pflanzen, 430 Säugetiere, 1.300 Vogelarten, 380 Reptilien, 400 Amphibien und 3.000 Fischarten. Das sind nur die bekannten. Vieles ist noch unentdeckt.
- Viele Organisationen kämpfen um den Erhalt des Regenwaldes. Z. B. der WWF. Ökotourismus in kleinem Ausmaß ist auch eine Möglichkeit, deinen Teil dazu beizutragen. Auf diese Weise kommt dem tropischen Regenwald Geld zu Gute, ohne dass Menschen dem Wald Schaden zufügen oder Tiere gefährden.
Freche Affen
Meine Reisegefährten schlafen in ihren Hängematten, ich döse und beobachte den wachenden Samuel. Vor einer Stunde noch haben wir die zwei Tambaqui genüsslich verspeist. Der Tambaqui ist ein sehr fetter Fisch, der, so nimmt Leo an, in den alten Fischteichen lebte. Er ernährt sich von Nüssen und Baumfrüchten, die entlang des Amazonasflusses wachsen. Ein köstlicher Fisch. Samuels starke Lampe erhellt die Baumkronen. Da oben raschelt es. Neugierig klettere ich aus meiner Hängematte, stelle sicher, dass ich nicht auf Skorpione oder andere Tiere trete und nähere mich Samuel. Was passiert da oben? “Nachtaffen”, flüstert er, “Mit dem Licht halte ich sie auf Distanz. Sie sind neugierig und werden vom Feuer angelockt. Eine größere Gruppe könnte uns sogar angreifen. Diese kleinen Bestien haben scharfe Zähne, mit denen sie sich dir an den Hals werfen.”
“Nachtaffen”, flüstert Samuel, “Diese kleinen Bestien haben scharfe Zähne, mit denen sie sich dir an den Hals werfen.”
Ich starre durch das dunkle Laub und sehe nichts. Meine Taschenlampe hilft auch nicht weiter. Meine untrainierten Sinne können keine subtilen, dschungelspezifischen Bewegungen und Geräusche wahrnehmen, so wie Samuel es kann. Ich gebe auf, sage gute Nacht und schäle mich in meine Hängematte. Mit Samuel auf der Hut und vom Schwingen meiner Hängematte begleitet, drifte ich ins Reich der Träume.
Entdecke den Regenwald auf eigene Faust
Vanessa und Leo beherbergen nur wenige Gäste pro Jahr. Durch verantwortungsvollen Tourismus und die Zusammenarbeit mit den Einheimischen versuchen sie, ein Bewusstsein für die biologische Vielfalt des Amazonas-Regenwaldes zu schaffen. Sehr außergewöhnlich sind die Expeditionen zum Pico de Neblina, dem Lebensraum der Yanomami-Indianer. Amazon Emotions ist einer der wenigen Veranstalter, die mit den Yanomami zusammen nachhaltige Tourismusformate entwickeln. Dieser Tourismus ist wichtig, denn er ist das Geschütz gegen Bergbau und Baumzucht, die das Gebiet bedrohen. Hast du Lust, das Amazonasgebiet entdecken, etwas über Naturschutz zu lernen und deinen Beitrag zum Erhalt des Amazonasgebiets und seiner Bewohner zu leisten?
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