Ob du nach einer inneren oder äußeren Reise suchst, die dir Seelenfrieden, Ruhe und das Gefühl gibt, eins mit dir und der Natur zu sein, such nicht weiter. Der St. Olavsleden, der nördlichste Pilgerweg der Welt, könnte genau das sein, was du suchst.
Werde ein moderner Pilger
Auf den Spuren des Heiligen Olav
Auf der linken Seite glänzt eine Welle von Sonnenlicht auf den dunkelgrünen Farnen und dicken Moosen, während mir das Geräusch eines jungen Baches voller Schaumblasen in den Ohren kribbelt. Rechts tauchen feines Schilf und winzige, aber farbenfrohe Blüten aus den Feuchtgebieten auf. Nicht weit entfernt in der Ferne klammert sich der letzte Schneefleck an die hügeligen Berge, die Norwegen und Schweden trennen. Die Luft ist rein, und meine Stimmung ist ruhig. Keine Anzeichen von Zivilisation hier. Die Natur ist unbefleckt.
So muss es dem Wikingerkönig Olav II. Haraldsson im Jahr 1030 ergangen sein, als er durch Schweden zu seiner letzten Schlacht in Stiklestad marschierte, kurz hinter der Grenze in Norwegen. Er kämpfte für die Wiedererlangung seiner Krone und starb bei dem Versuch. Aber sein Tod auf dem Schlachtfeld und die angeblichen Wunder, die mit seinem Körper geschahen, gaben ihm etwas Besseres als Land; er führte ihn zur Heiligkeit.
Von der Ostsee zum Atlantischen Ozean
Von diesem Moment an war der Weg, den der heilige Olav durch Schweden und Norwegen nahm, als Olavsweg oder St. Olavsleden bekannt. Er ist der nördlichste Pilgerweg der Welt und etwa 580 Kilometer lang. Er erstreckt sich von der Ostsee im Osten bis zum Atlantischen Ozean im Westen, von Selånger in Schweden bis Trondheim in Norwegen, wo der Heilige Olav im Nidarosdom begraben ist. St. Olavsleden ist das skandinavische Äquivalent zum El Camino de Santiago de Compostela, dem berühmten Pilgerweg nach Spanien.
Mit dem Niedergang der Religion geriet der Pilgerweg fast in Vergessenheit. Doch 2012 bündeln alle schwedischen und norwegischen Regionen, durch die der Weg verläuft, ihre Kräfte und bringen neue Energie in diese alte Pilgerroute.
Putte schaut auf mein verwirrtes Gesicht und lächelt. “Die Landschaft hat sich ein wenig verändert”.
“Hier ist Olav 1030 gelandet”, sagt Putte Eby, unser Führer und der Mann, der eine der entscheidenden Kräfte hinter der Auferstehung des St. Olavsleden Pilgerweges war. Wir befinden uns in Selånger an der Ostküste Schwedens und sehen uns die Ruinen der Selånger-Kirche an, die zu Ehren im 12. Jahrhundert erbaut wurde. Kein Meer in Sicht. Putte schaut auf mein verwirrtes Gesicht und lächelt. “Die Landschaft hat sich ein wenig verändert”, sagt er. “Das Meer kam bis dahin, wo wir stehen. Der damalige Haupthafen lag genau hier. Und genau hier beginnt auch St. Olavsleden.”
Atme die Essenz dieser Teile von Schweden und Norwegen ein.
Es gibt viele Gründe, diesen nördlichsten aller Pilgerwege zu gehen. Ich finde, dass Wandern oder Radfahren die beste Möglichkeit ist, diesen Teil der Welt zu erleben. Es erlaubt mir, das Wesen dieser Teile Schwedens und Norwegens langsam einzuatmen. Meine Reise auf dem gut markierten Weg führt mich teilweise über die Hauptstraße, aber auch durch ausgedehnte Wälder, über Berge, durch mit roten, für Schweden typischen Holzscheunen gesprenkelte Weiden, entlang schimmernder Seen und vorbei an historischen Stätten wie der alten Kirche von Åre. Und da meine Füße mich nur mit einer gewissen Geschwindigkeit tragen können, habe ich viel Zeit, das alles in mich aufzunehmen. Nicht, dass ich den ganzen Weg laufen würde. Dafür würde ich etwa einen Monat brauchen. Wie viele Pilger laufe ich Teile des Weges und nicht den ganzen Weg. Ich beschloss, die erste Strecke von Selånger nach Borgsjö und die Etappe von Åre nach Stiklestad zu gehen.
Das Wandern entlang des Weges ist für viele Pilger eine innere Reise, die Landschaft nur ein ‘Add-on’
Für viele Pilger ist die Landschaft eine Zugabe, aber der Hauptgrund ihrer Wanderung ist etwas anderes: eine innere Reise. Entlang der ersten Etappe des Weges finden wir Hedwig Schetske aus Zaventem in Belgien. Sie sitzt mit ihrem Rucksack unter einem Baum und genießt barfuß ein Sandwich, die Wanderschuhe neben ihr. “Ich bin auf einer 18-tägigen Wanderung entlang des Weges”, sagt sie. “Diese Reise bietet mir ein Gefühl der Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Sie trennt mich für eine Weile vom Alltagsstress, und sie erlaubt mir, ein echtes Gefühl für meine Präsenz in der Natur zu erleben. Sie weckt inneren Frieden in mir.” Für andere ist die Pilgerfahrt, wie in alten Zeiten, eine spirituelle und religiöse Erfahrung. Ich spüre auch, dass mein Geist sich verlangsamt. Schritt für Schritt rückt die Hektik des Alltags in den Hintergrund, während die Sehenswürdigkeiten und die Gerüche des schwedischen Landlebens die Oberhand gewinnen.
Stiklestad – das Schlachtfeld, auf dem König Olav Haraldsson am 29. Juli 1030 fiel.
Ein sehr wichtiger Ort entlang des St. Olavsleden ist die Stadt Stiklestad. Hier fiel am 29. Juli 1030 der Wikingerkönig Olav Haraldsson in einer Schlacht gegen die Bauern und Kleinkönige. Kurz nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen und blieb seitdem als ‘heiliger Olav’ in Erinnerung.
Jedes Jahr findet an genau diesem Ort der Stiklestad-Sommer statt. Einen Tag lang kannst du Wikinger spielen und in einem Stiklastadir, einem traditionellen Wikinger-Langhaus, schlafen. Viele Wikingerfans wollen erleben, wie es damals war. Du kannst lernen, ein Feuer mit Feuerstein und Stahl zu entzünden, mit Pfeil und Bogen zu schießen und deinen eigenen Geldbeutel aus Leder zu nähen.
Der Stiklestad-Sommer findet jedes Jahr statt. In 2020 vom 20. Juni bis zum 9. August.
Man sagt, dass die Pferde des heiligen Olavs einmal sehr durstig waren, Wasser aber nicht zu finden war. Als Superheld, lange bevor es den Begriff gab, schlug er mit seinem Schwert auf einen Stein ein und voilà, ein Brunnen entstand. Ich finde diesen Brunnen, der immer noch existiert, am Fuße des Bergåsens in Borgsjö. Das Wasser schmeckt rein und köstlich.
Früher war die Pilgerfahrt oft die einzige Möglichkeit überhaupt zu reisen
Früher war eine Pilgerfahrt oft die einzige Möglichkeit, überhaupt zu reisen. Unvorstellbar, aber wahr: Reisen war für gewöhnliche Leute verboten. Nur ein Pilgerbrief der Kirche gab einem die Freiheit, sich jenseits der Heimat zu bewegen. In anderen Fällen war Wandern eine Buße für begangene Sünden. Entlang des Weges musste man sich an verschiedenen Stellen Stempel besorgen, um zu beweisen, dass man die Strecke auch zurückgelegt hat. Es gab Berufspilger, die den Weg für wohlhabende Leute gingen, die nicht selbst Buße tun wollten. Auch ich sammle Stempel entlang des Weges und suche dazu aufmerksam nach den kleinen Holzkisten, in denen die Siegel stecken. Wenn ich genug Stempel angesammelt habe, erhalte ich dafür im Nidaros-Dom in Trondheim, Norwegen, eine Urkunde. Ich liebe Zertifikate.
Reiseführer
Planst du deine Reise lieber auf Papier? Dann besorge dir einen St. Olavsleden-Reiseführer. Erhältlich auf Schwedisch, Englisch, Deutsch und Niederländisch. Die Bücher sind im St. Olavsleden-Shop erhältlich.
Roadtrip
Keine Zeit zum Laufen oder Radfahren? Mach eine Bilgerfahrt! Bil ist das schwedische Wort für Auto. Eine Bilgrimage ist das, was die Schweden nennen, wenn man die Strecke mit dem Auto befährt. Allerdings ist nicht der gesamte Pilgerpfad mit dem Auto zurückzulegen.
Organisiert
Willst du den St. Olavsleden-Pfad erleben – aber nicht alles alleine planen? Vielleicht, weil du nur wenig Zeit hast? St. Olavsleden bietet dir verschiedene Arrangements an.
Hol dir deinen ganz persönlichen Olavsbrief vom Pilgerpfarrer des Nidaros-Doms
Der Olavsbrief ist die Urkunde für die Leistung, dass du die letzte Etappe, mindestens 100 Kilometer, eines der St. Olavswege nach Trondheim zu Fuß oder die letzten 200 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt hast. Der einzige Ort, an dem der Olavsbrief ausgestellt wird, ist das Nidaros-Pilgerzentrum, das sich beim gleichnamigen Dom in Trondheim befindet. Um den Olavsbrief zu erhalten, musst du dem Pilgerpfarrer persönlich den Pilgerpass mit Stempeln vorlegen.
Empfohlene Wanderungen, um sich für den Olavsbrief zu qualifizieren, sind von Berkåk nach Trondheim auf dem Gudbrandsdalsleden, von Stiklestad nach Trondheim auf dem St. Olavsleden oder von Tynset nach Trondheim auf dem Østerdalsleden.
Wenn du dich für den Olavsbrief mit dem Fahrrad qualifizieren möchtest, empfehlen wir dir die Fahrt von Åre, Schweden, nach Trondheim auf dem St. Olavsleden.
Der Weg von Olav hat mir Seelenfrieden gegeben
Außer mir wandern oder radeln rund 700 Pilger pro Jahr zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach St. Olavsleden. Tendenz zunehmend. Mit vielen Menschen, die entlang des Weges leben, kommt man rasch ins Gespräch. Sigrid und Tommy Nordwall zum Beispiel. Tommy (72) ist ein Armee-Leutnant im Ruhestand. Ich gehe an seiner Veranda vorbei, von der im Sommerwind eine Vielzahl von Flaggen wehen. Er bietet mir Kaffee an. Was hat es mit den Flaggen auf sich, frage ich? “Von anderen Leuten, die am Weg wohnen, höre ich, welche Nationalität die Pilger haben, die auf dem Weg daher kommen”, sagt Tommy. “Dann hisse ich ihre Flagge, um sie willkommen zu heißen. Bis jetzt sind über vierzig Nationalitäten vorbeigekommen. Sogar aus Ländern wie Nepal und Namibia.”
Der Mann wusste, wie man Wasser aus der Erde schöpft.
Ich fahre eine gut ausgebaute Schotterstraße nach Norwegen hinunter. Die Bergstraße zwischen Skalstugan in Schweden und Sul in Norwegen bezaubert durch große landschaftliche Vielfalt: Birkenwälder in Skalstugan, karge Bergpanoramen und die Nadel- und Mooswälder von Sul, wo ich einen weiteren Wunderbrunnen finde, angeblich auch von Olav geschaffen. Der Mann wusste, wie man Wasser aus der Erde schöpft. Ich nehme mir einen großen Schluck davon. Köstlich! Der Weg von Olav hat mir all meinen Alltagsstress genommen und tiefen Seelenfrieden gegeben. Genaus das bietet der heilige Olavsleden. Und noch mehr: eine lebenslange Erfahrung.
Seelenfrieden in einem Meer aus Grün
Wanderung St. Olavsleden
Wenn du weitere Informationen benötigst, andere Fragen hast oder einfach nur etwas tiefer in die Geschichte von St. Olavsleden einsteigen möchtest, findest du unter www.stolavsleden.com ausführliche Details.
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