Segeln zum Whisky auf den Hebriden
Das Wasser des Lebens
Segeln entlang der zerklüfteten schottischen Inseln und der geheimnisvollen Küste Nordirlands, kombiniert mit einer Erkundung der Geheimnisse des irischen und schottischen Whiskys. Die Barkentine (= Großsegler) Thalassa bietet segelnden Whisky-Liebhabern den Trip ihres Lebens. “Gib mir einen 21 Jahre alten Bruichladdich.”
Die schlanke Linie der Thalassa schlängelt sich mit elf Knoten durch den Islay Sound. Die Wellen peitschen gegen die Brüste der Galionsfigur. Stolz heben sich die vollen Segel von der grünen Küstenlinie von Jura, der Insel gegenüber von Islay, ab. Die Gipfel des Paps of Jura-Gebirges ragen bedrohlich aus dem Meer heraus. An der Küste von Islay, in Carraig Fhada bei Port Ellen ist der schneeweiße Leuchtturm auszumachen.
Nicht weniger als elf Knoten. Fünf Knoten durch die Strömung, die uns durch die Gewässer zwischen Jura und Islay durchschiebt, und sechs unter dem Segel. Woher die Geschwindigkeit kommt, ist für die, die an Bord sind, egal. Die Thalassa krängt zu einer Seite und das Wasser sprudelt über das Deck. So soll Segeln sein. Das Beste aus allem machen. Genauso, wie es Kapitän Jacob Jan Dam mag.
Wir ankern vor der Küste von Islay – ausgesprochen “Eila”: “Eila” – ist ein bisschen knifflig. Der Boden ist mit Seetang bedeckt, und der Anker lässt sich nicht lichten. Wir befinden uns in einer Bucht direkt vor Bunnahabhain, einer der neun Whisky-Destillerien von Islay.
Dies ist die südlichste Insel der Inneren Hebriden, dem schottischen Archipel zwischen Schottland und Irland.
Der Spitzname von Islay ist Banrìgh nan Eilean, “Königin der Hebriden”. Sie macht diesem Namen alle Ehre. Die mit Torf bedeckten Hügel dieser fünftgrößten Insel Schottlands und der sechsten in britischen Gewässern, sind üppig grün. Die dreitausend Einwohner verdienen ihren Lebensunterhalt in Whisky-Destillerien oder durch Touristen. Die kommen hierher, um den Whisky zu probieren oder Vögel zu beobachten. Wie die seltene Alpenkrähe oder die Kornweihe.
Der gälische Name von Islay ist Banrìgh nan Eilean: “Königin der Hebriden”
Das Klima auf der knapp 620 Quadratkilometer großen Insel ist dank des Golfstroms mild. Es gibt keinen Schnee, und eisige Temperaturen sind selten. Man könnte meinen, es sei das Paradies. Doch die Winter sind kein Zuckerschlecken. Dann suchen, angefacht durch den Atlantik, heftige Stürme mit der Stärke eines Hurrikans die Insel heim. Im The Ardview Inn, im Hafen von Port Ellen, ist es das Tagesgespräch, ob die Fähre zum schottischen Festland abfahren kann oder nicht.
Die brachiale Kraft der Atlantikwinde ist übrigens auch der Grund dafür, dass hier vor der Küste von Islay, in der Nähe von Portnahaven, das erste kommerzielle Wellenkraftwerk der Welt gebaut wurde. Der Islay LIMPET, wie der Generator genannt wird, versorgt die Insel mit einem halben Megawatt Strom.
Mit ihren sechzehn Segeln, die zusammen mehr als achthundert Quadratmeter Segelfläche ausmachen, ist die Barkentine Thalassa ein imposanter Anblick. Kapitän Jabob ist stolz auf das Schiff: “Wenn wir an Wettkämpfen teilnehmen, versuche ich immer, das Beste aus der Thalassa herauszuholen. Oft weiß ich, dass ich nicht gewinnen kann, aber ein fünfter Platz muss machbar sein. Und das ist dann mein Ziel. Unter idealen Bedingungen kann das Schiff eine Geschwindigkeit von dreizehn Knoten erreichen. Nicht schlecht für ein umgebautes Fischerboot’.
Fischkutter? Jacob lacht: “Ja, das war der ursprüngliche Zweck, den die Erbauer im Sinn hatten. Das Schiff wurde 1980 vom Stapel gelassen. Dank seiner schlanken Linie und seines stromlinienförmigen Rumpfes erreichte das Schiff immer als erstes die Fischgründe.
“Dank ihrer schlanken Linie und ihres stromlinienförmigen Rumpfes erreichte das Schiff immer als erstes die Fischgründe”
Diese feine Linie macht sie genauso geeignet wie ein Segelschiff. Als Fischkutter war sie vier Jahre lang im Einsatz. Dann, wahrscheinlich aus Frustration, traf die Thalassa auf ein Wrack und sank. Nach ihrer Bergung wurde sie 1994 von den Eigentümern Arnold Hylkema und Jacob Jan Dam zu einem Großsegler umgebaut.
Der Name Thalassa könnte nicht passender sein mit der Hintergrundgeschichte der Entstehung des Schiffes. Thalassa ist eine der griechischen Urgöttinnen. Die Meeresgöttin, die alles Leben in den Meeren gebar, auch genannt “die Fischmutter”. Auch wird sie manchmal als die Mutter der Liebesgöttin Aphrodite erwähnt, die aus dem Schaum des Meeres geboren wurde. Fischkutter hin oder her, die Thalassa ist ein Juwel von einem Schiff.
Als wir an Bord kamen, wusste ich nichts übers Segeln. Jetzt, am dritten Tag, dämmert es mir langsam. Auf Jakobs Kommando hisst die Mannschaft die Segel. Alex ruft: “Willst Du mir mit der Fock helfen?” Kaum wissend, wo die sich befindet, folge ich ihm zum Bugspriet, das ist die Segelstange, die weit über den Bug hinausragt. Im Netz balancierend, über der Galionsfigur Lady Thalassa, entfalten wir die Segel. Unter mir sehe ich Wellen vorbeiziehen. Das Hissen der Segel ist harte Arbeit. Die Seile sind zentimeterdick. Wir brauchen drei Männer, um das schwere Segeltuch hochzuziehen. Alex macht das schon lange, es geht ihm mühelos von der Hand. Sam klettert wie ein Trapezkünstler auf die höchste Rah während wir die Stag- und Focksegel aufstellen. Eine halbe Stunde später sind alle sechzehn Segel gesetzt. Jetzt schneiden wir mit zwölf Knoten durch das Meer. Der Wind frischt auf, das Deck neigt sich in alle Richtungen. Sam kommt auf mich zu, im Gesicht ein breites Grinsen. Er ist mit Wettkampfsegler mit Leib und Seele. Solange wir segeln, ist er glücklich. Meine Arme fühlen sich an wie Blei, mein Bizeps brennt. Übrigens, die Crew kann alles alleine machen, aber wenn ich schon mal segele, dann muss ich voll mitmachen.
Das Bermudadreieck Schottlands heißt Corryvreckan-Whirlpool. Viele Schiffe sind hier verschwunden, die meisten spurlos
Fotograf Frits will uns veräppeln. Zusammen mit Sam klettert er hoch in den Mast. Sam soll die Segel lösen und Frits will das von oben fotografieren. Je höher es geht, desto schmaler die Strickleiter. Weit oben sind die Bewegungen des Schiffes viel deutlicher zu spüren. Was unten als leichte Dünung wahrgenommen wird, schwingt in großer Höhe weit von links nach rechts. Oder fachmännisch: von Backbord nach Steuerbord. Von der obersten Plattform sieht Frits plötzlich einen riesigen Strudel auftauchen und wähnt sich schon ins Wasser stürzen. So schnell wie möglich eilt Frits nach unten. Gerade noch rechtzeitig, denn wir landen im ‘Corryvreckan-Whirlpool‘, besser bekannt als ‘Bermuda-Dreieck Schottlands’. Viele Schiffe sind hier verschwunden, die meisten spurlos. Während der Gezeitenzyklen werden enorme Wassermassen durch die enge Passage zwischen den Inseln gepresst. Unter dem Schutz von Lady Thalassa navigiert das Schiff wie ein wilder Stier durch die turbulenten Gewässer.
Mit uns an Bord ist auch ein Vorrat schottischer Juwelen; Single Malt Whisky. Ah, Whisky. Neben dem Segeln der Zweck dieser Reise. Immerhin befinden wir uns im Epizentrum dessen, was man “den salzigen Whisky” nennt. Jeden Tag legt die Thalassa in der Nähe einer Destillerie an. Dort erklärt man uns alles über den Whisky und zu guter Letzt dürfen wir auch probieren. Diese Ausflüge sind ein Highlight für alle, die nicht nur gerne segeln, sondern auch den Genuss eines schönen Glases Whisky zu schätzen wissen.
Wir befinden uns auf den Hebriden im Epizentrum dessen, was man den salzigen Whisky nennt
Illegale Destillerien waren in dieser Gegend gang und gäbe. Kein Wunder, denn auf Spirituosen wurde eine geradezu idiotisch hohe Steuer erhoben. Zollbeamte, Steuerprüfer und illegale Brenner spielten ein fast romantisches Katz- und Mausspiel mit ernstem Unterton. Bis dann im Jahr 1823 König George IV. die Stadt Edinburgh besuchte und vom Geschmack jenes seltsamen alkoholischen Getränks namens usquebaugh, gälisch für Wasser des Lebens, begeistert war. Phonetisch war es usky, was sich zu Whiskey weiter entwickelt hat. König George mochte diesen Whisky so sehr, dass er prompt die Steuer auf das Getränk halbierte. Dies veranlasste viele illegale Brennereien dazu, aus dem Untergrund aufzutauchen und Lizenzen zu beantragen: der Beginn der Blütezeit der berühmten schottischen Whiskys.
Zur Herstellung von Whisky benötigt man eine Reihe von Grundzutaten. Erstens, Korn, in dem sich Stärke bilden kann. Die meisten Scotch-Whiskys verwenden Gerste. Die Gerste wird zunächst gemälzt. Auf einer großen Freifläche wird eine etwa zehn Zentimeter dicke Gerstenschicht ausgelegt. Diese Schicht feuchtet man an, damit das Korn keimt, was den Stärkegehalt in den Körnern erhöht. Um die Keimung zu stoppen, wird das Malz über großen Feuern getrocknet; dies wird “Darren” genannt.
Der zum Trocknen des Malzes verwendete Brennstoff ist ganz entscheidend für den Geschmack. Traditionell verwendeten die Destillateure Brennstoff, der in der Gegend leicht verfügbar war. Ein bewaldetes Gebiet? Dann haben sie Holz verwendet. Gab es in der Nähe eine Kohlenmine? Dann haben sie Kohle verwendet. Gab es Torf im Boden? Dann ging es in Flammen auf.
Zu geizig, um neue Fässer zu kaufen, kauften die Schotten gebrauchte Fässer, die Sherry oder Portwein gelagert hatten
Ein weiterer wichtiger Faktor war die Verfügbarkeit einer konstanten Quelle von sauberem Wasser. Daher haben die meisten Destillerien eine Quelle oder einen Fluss in der Nähe. Das Wasser kommt zusammen mit dem Malz in die Fässer und wandelt die Stärke in Zucker um. Die Hefe wandelt dann den Zucker wieder in Alkohol um. Die entstehende Maische wird “Würze” genannt und ist eine Art Starkbier, mit einem Alkoholgehalt von fünf bis sieben Prozent.
Jetzt beginnt das Destillieren. Die Würze wird in einem kupfernen Pot Still (Destillationsapparat) oder einem Edelstahlkessel zum Sieden gebracht. Der verdampfte Alkohol wird aufgefangen, verflüssigt und erneut zugesetzt, wodurch die Würze einen immer höheren Alkoholgehalt erhält. Das Destillat, das schließlich entsteht, wird als New Spirit bezeichnet; ein schwerer alkoholischer Stoff von etwa 65 Prozent.
Dieser New Spirit hat wenig mit dem bekannten, weichen Whisky gemein. Der spezifische Geschmack entsteht erst während der Reifung in Eichenfässern. Die Geschichte besagt, dass der Geiz der Schotten dafür gesorgt hat, dass es den Whisky, wie wir ihn kennen, überhaupt gibt. Zu geizig, neue Fässer zu kaufen, kauften die Schotten gebrauchte Fässer, in denen Sherry oder Portwein transportiert worden waren.
Das Holz und der Likör, der vorher in den Fässern lagerte, sind von enormer Bedeutung für den Geschmack und die Farbe des endgültigen Whiskys. Ein Fass, das zuvor einen dunklen, süßen Sherry wie Oloroso enthielt, wird einen ganz anderen Whisky ergeben als ein Fass für Fino, einen trockenen und hellen Sherry. Eigentlich ist jedes Fass anders. Es ist die Kunst der Brennerei, aus all den verschiedenen Aromen einen einheitlichen Single Malt zu kreieren.
Die Mindestdauer der Reifung des alkoholischen Stoffes, bevor er sich “Whisky” nennen darf, beträgt drei Jahre und einen Tag. Viele Whiskys lagern aber noch viel länger in Holzfässern. Der Reifungsprozess von Whisky endet erst mit der Abfüllung.
Islay hat die meisten Destillerien der schottischen Inseln: insgesamt neun. Ardbeg, Laphroaig und Lagavullin sind drei bekannte Destillerien auf der Südseite der Insel. Sie sind bekannt für ihren starken, rauchigen und torfigen Geschmack. Der rauchige Geschmack kommt von dem Rauch des Torffeuers, über dem das Malz getrocknet wird. Manche bezeichnen Islay-Whiskys als medizinisch im Geschmack, da der Torfrauch einen fast jodartigen Geruch hinterlässt.
Im Norden von Islay befinden sich die Label Caol Ila, Bowmore, Bruichladdich und Bunnahabhain. Diese Whiskys sind etwas weniger ausgeprägt rauchig. Die Nähe des Meeres war in der Antike offensichtlich perfekt für den Transport von Whiskey. Außerdem liegen die Hebriden auf der Route nach Amerika. Viele Segelschiffe legten vor der großen Überfahrt einen Zwischenstopp in einer Destillerie ein, um die Steine, die sie als Ballast mitführten, durch Whiskyfässer zu ersetzen. Ein nettes Zusatzgeschäft für die Kapitäne. Viele Häuser und Mauern auf der Insel sind mit diesen Steinen gebaut. Die Küstenlage vieler Destillerien macht sie ideal für einen Besuch mit dem Boot.
Stetig steuert die Thalassa über den Muir Eireann, die Irische See, in Richtung Nordirland. Von Islay sind es eigentlich nur 25 Meilen bis zum irischen Festland. Das Meer ist durch den St-George-Kanal zwischen Irland und Wales und den Nordkanal zwischen Nordirland und Schottland mit dem Atlantischen Ozean verbunden. Wir segeln nach Ballycastle, um Irlands größte Destillerie, Bushmills, zu besuchen. Übrigens ist es hier nicht mehr erlaubt, ihn “Whisky” zu nennen. Die Iren nennen ihr Wasser des Lebens “Whiskey”, was es nicht weniger schmackhaft macht.
Kenner sagen, Whisky sei das Heilmittel für alles. Es gibt einen uralten Streit darüber, wer dieses Getränk erfunden hat. Die Iren behaupten, St. Patrick habe ihn entdeckt, die Schotten sagen, sie seien die Ersten gewesen. Auf jeden Fall war keiner von ihnen der Erfinder der Destillation. Diese Ehre gebührt den Babyloniern in Mesopotamien, dem heutigen Irak. Sie destillierten bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus. Es ist wahrscheinlich, dass das Destillieren über die Mauren zu den irischen Missionaren im sechsten oder siebten Jahrhundert kam. Zunächst wurden Destillate vor allem für medizinische Zwecke verwendet, zum Beispiel zur Bekämpfung von Cholera und Pocken. Wer aber schließlich ein reifendes Eichenfass vergessen hat, bleibt ein großes Geheimnis.
Die Iren behaupten, Saint Patrick habe ihn entdeckt. Die Schotten sagen, sie seien die Ersten gewesen
Whisky Segel
mit Großsegler Thalassa
Segeln für Whisky-Liebhaber auf den Hebriden
Für die echten Whisky- und Segelfans macht die Thalassa Ausflüge zu den verschiedenen schottischen Inseln und besucht die verschiedenen Destillerien. Welche Inseln das sind, hängt ein wenig von den Elementen ab. Und genau das macht es so spannend.
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