Auf der Spur von Kobo Daishi Kukai
Der Shikoku-Henro
Magazine → Ausgabe #20 →
Bist du ein Indivualreisender, der interkulturelle Erfahrungen zu schätzen weiß? Bist du auf der Suche nach einer spirituell bereichernden und gleichzeitig aufregenden Reise? Begleite uns auf Japans Shikoku Henro, und mache dich bereit, echte lokale Gastfreundschaft und ein Nirwana kultureller Eindrücken zu erleben.
Top image : © Wakayama Tourism Federation
Diese Geschichte beginnt vor langer, langer Zeit, irgendwo zwischen 794 und 1185, während der japanischen Heian-Periode, als ein junger Mann namens Kobo Daishi Kukai seine Karriere als Beamter aufgab, um in Tang-China den esoterischen Buddhismus zu studieren. Nach seiner Rückkehr nach Japan machte er sich daran, die Lehren des Buddhismus zu verbreiten, und eröffnete in einer abgelegenen Gegend im nördlichen Teil von Wakayama die Ausbildungsstätte auf dem: Koyasan.
Eintausendzweihundertfünfzig Jahre nach der Geburt von Kobo Daishi Kukai ist Koyasan nach wie vor ein bedeutender heiliger Ort des japanischen Buddhismus.
Es heißt, dass Kobo Daishi Kukai als asketischer Mönch, Orte von großer spiritueller Bedeutung in seiner Heimat Shikoku besuchte, sich der Meditation hingab und so die 88 heiligen Stätten von Shikoku gründete. Inzwischen ziehen sie Pilger aus der ganzen Welt an. Viele aus religiösen Gründen, viele andere aber auch aus Gründen der Heilung, der kulturellen und spirituellen Bereicherung, als Gelegenheit für eine Wanderung oder einfach als Teil einer einzigartigen Reise.
Was auch immer deine Motivation sein mag, dieser Pilgerweg bietet alles: Berge und malerische Ausblicke, Pagoden, traditionelle Kunst und Steingärten, quirlige Märkte und schmackhafte Küche, spirituelle Erfahrungen, die auf Meditation und Askese ausgerichtet sind und die unbezahlbare Möglichkeit, in vielen der Tempel entlang des Weges zu übernachten und die authentische Gastfreundschaft zu erleben, die in dieser Region verwurzelt ist.
Viele Menschen kommen nach Koyasan, um den Pilgern zu danken, dass sie die Reise angetreten haben.
Shikoku-Henro
Auf dem Shikoku Henro kannst du Tempel und Sehenswürdigkeiten in vier japanischen Präfekturen entdecken: von Tokushima über Kochi, Ehime und Kagawa. Dabei kannst du auch die einzigartige Kultur von Osettai kennen lernen: Essen und Trinken, Willkommensgrüße und Dankbarkeit sowie Hilfe, wenn man sich verirrt hat, sind Teil der Kultur, die den Pilgern von den Fremden, denen sie begegnen, entgegengebracht wird.
Der Shikoku Henro wird mit dem symbolischen Weg zur Erleuchtung im Buddhismus verglichen: Die Tempel 1 bis 23 stehen für die Idee des Erwachens (hosshin), von 24 bis 39 für Enthaltsamkeit und Disziplin (shugyō), von 40 bis 65 für das Erreichen der Erleuchtung (bodai) und von 66 bis 88 für den Eintritt ins Nirwana (nehan).
Unser Weg ins Nirwana hat keine vorgegebene Reihenfolge. Wir sind uns sicher, dass der beste Ausgangspunkt unserer Reise der Bahnhof Kyoto, der Bahnhof Osaka, der Bahnhof Namba oder der internationale Flughafen Kansai ist. Von allen diesen Bahnhöfen gibt es sehr bequeme Verbindungen zu den von uns empfohlenen Startpunkten. Aber natürlich kann sich jeder Reisende seine eigene Route zusammenstellen, in der Reihenfolge, die ihm am besten passt.
Dies ist unsere Auswahl der Wichtigsten der 88 Tempel auf dem Shikoku Henro. Eine Reise auf den Spuren von Kobo Daishi Kukai, einer Berühmtheit, deren Weisheit im Land der aufgehenden Sonne noch immer legendär ist.
Koyasan
Vor etwa eintausendzweihundert Jahren errichtete Kobo Daishi Kukai in Koyasan einen buddhistischen Tempelkomplex. Noch heute wird dieser heilige Ort jedes Jahr von Hunderttausenden besucht. Und es wird erwartet, dass 2023 noch viel mehr Menschen die Feierlichkeiten anlässlich des buddhistischen Gedenkgottesdienstes zum 1250. Jahrestag der Geburt von Kobo Daishi Kukai, der zwischen dem 14. Mai und dem 9. Juli stattfinden wird, miterleben wollen.
DANJO GARAN SACRED TEMPLE COMPLEX
Der Heilige Tempelkomplex Danjo Garan ist neben Okuno-in, dem ersten Ort, den Kobo Daishi Kukai bei der Gründung errichtete, einer der beiden heiligen Orte des Koyasan. Es heißt, er verkörpere die auf dem esoterischen Buddhismus basierende Mandala-Weltanschauung. Zu den 19 Gebäuden, die ihn umgeben, gehört die Haupthalle des Koyasan: Kondo. Eine weitere Hauptattraktion ist der 48,5 Meter hohe Konpon Daito-Turm.
Man glaubt, dass Kobo Daishi Kukai noch immer in Okuno-in meditiert
Okuno-in
Die Menschen glauben, dass Kobo Daishi Kukai noch immer in einem Mausoleum in Okuno-in, ein weiterer heiliger Ort im Koyasan, für Glück der Menschen meditiert. Zweimal am Tag (6 Uhr und 10:30 Uhr) bringen die Priester des Koyasan das Essen für Kobo Daishi Kukai. Diese Zeremonie lässt die Menschen spüren, dass Kobo Daishi Kukai auch heute noch lebendig ist.
Okuno-in ist auch ein wichtiger Ort für Shikoku-Pilger, denn hier erhalten sie das rote Siegel von Gokusho, wenn sie alle 88 Pilgerstätten besucht haben.
Das muss man gesehen haben:
Viele Besucher empfehlen, Okuno-in bei Nacht zu erkunden. Die geführte Tour mit Erklärungen in englischer Sprache bietet Einblicke in kulturelle Aspekte wie die Symbolik der Form der Monumente, die buddhistische Begräbniskultur und andere Traditionen.
Kongobu-ji Haupttempel
Der Kongobu-ji, der Haupttempel der Shingon-Sekte des Buddhismus, wurde von Kobo Daishi Kukai gegründet und hat etwa 3.600 Ableger in ganz Japan. Der Tempel ist berühmt für seinen Banryu-tei-Garten, den größten Steingarten Japans, und die vielen schönen Malereien an den Schiebetüren. Im Jahr 2004 wurde der Kongobu-ji Haupttempel als Teil der heiligen Stätten und Pilgerrouten im Kii-Gebirge zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Das muss man gesehen haben:
Im Dojo des Kongobu-ji Haupttempels können Besucher die “Ajikan”-Meditation erleben, eine Atem- und Meditationstechnik der buddhistischen Shingon-Sekte.
Shojin-ryori ist eine vegetarische buddhistische Küche
Shukubo: In einem Tempel übernachten
Koyasan ist ein einzigartiger Ort, an dem man erleben kann, wie es ist, in einem Shukubo zu wohnen. Eine der authentischsten Möglichkeiten, das alte und traditionelle Japan zu erleben. Mehr als 50 Tempel mit unterschiedlicher Geschichte und Charakteristik beherbergen als Pilgerunterkunft Besucher, wobei die Gestaltung jedes Tempels auf einzigartige Weise Aspekte der japanischen Philosophie und Ästhetik widerspiegelt, einschließlich wunderschöner Gärten und Gemälde an den Schiebetüren. Das Erlebnis bietet einen Einblick in das Innenleben des Shingon-Klosterlebens und die Teilnahme an Praktiken wie Meditation (ajikan) oder Sutra-Kalligraphie (shakyo).
Vegetarier und Veganer willkommen
Shojin-ryori ist eine vegetarische buddhistische Küche, die ausschließlich aus essbarem Wildgemüse und Pflanzen besteht. Es mag schlicht klingen, ist es aber nicht. Shojin-Ryori ist eine harmonisch komponierte Symphonie aus saisonalen Aromen, die versucht, die Essenz der Zutaten hervorzuheben. Zu den Spezialitäten gehören Koya-Dofu und sein mit Sesam gewürzter Verwandter, der Sesam-Tofu.
Die Wurzeln der vegetarischen Küche des Koyasan lassen sich bis zum Furemai-ryori zurückverfolgen. Seit der Heian-Periode (794 bis 1185) wurde die Tradition von Generation zu Generation weitergegeben. Die Gerichte wurden der königlichen Familie, den Feudalherren und Pilgern aus dem ganzen Land serviert, um sie in Koyasan willkommen zu heißen. Koyasan ist ein Ort der Askese, an dem das Essen von Fleisch streng verboten war und Syojin-ryori gegessen wurde.
Auf dem Weg nach Tokushima
Die Nankai-Fähre ist eine der wichtigsten Fährverbindungen in Japan und verbindet die Präfektur Wakayama mit der Präfektur Tokushima. Die Überfahrt dauert nur zwei Stunden. Das ist deutlich schneller als jede Alternative auf dem Landweg.
Ryozenji-Tempel
In Tokushima beginnen viele Pilger ihre Pilgerreise am Ryozenji-Tempel, dem ersten Tempel auf der Strecke. Das Tempelgelände ist voller Überraschungen, wie z. B. eine fantastische Haupthalle mit unzähligen von der Decke hängenden Laternen, eine zweistöckige Pagode, die vor mehr als 600 Jahren erbaut wurde, eine Halle für Kobo Daishi Kukai, vor der ein großer, farbenfroher Karpfen frei schwimmt, und ein Garten mit einem moosbewachsenen Wasserfall und wunderschön angelegten Bächen.
Außerdem können Besucher die traditionelle Pilgerausrüstung bestehend aus weißem Gewand, Bambus-Seggenhut, Pilgerstab und Pilgerstempel-Buch erwerben. Es gibt keine strikten Regeln bezüglich der Kleidung oder der Gegenstände, die du auf die Pilgerreise mitbringen musst, aber das Tragen von Pilgerkleidung hilft, dich auf deinen Körper und deinen Geist zu fokussieren, und macht dich unterwegs besser als “ohenrosan” (Pilger) erkennbar. So hast du mehr Gelegenheit, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen.
Bambus-Seggenhut, Pilgerstab und Pilgestempel-Buch
Deutsches Haus
Auf dem Pilgerweg in Tokushima laden viele Sehenswürdigkeiten zum Zwischenhalt ein.
In der Nähe des Ryozenji-Tempels befindet sich das “Deutsche Haus Naruto”, ein Museum, das den Austausch und die Interaktion zwischen deutschen Kriegsgefangenen und Einheimischen während des Ersten Weltkriegs im “Bando POW Camp” in Naruto City aufzeigt. Der Führungsstil des Bando POW Camps war während des Krieges erstaunlich “liberal”. Dank des weitestgehend freien Lebensstils der deutschen Kriegsgefangenen und der tief verwurzelten Gastfreundschaft der Einheimischen wuchs der gegenseitige Respekt der beiden Gruppen und ein herzlicher kultureller Austausch war geboren.
Im Deutschen Haus erfahren die Besucher mehr über das Leben der deutschen Kriegsgefangenen im Bando POW Camp.
Anrakuji-Tempel
Wir haben den 6. Tempel der Pilgerreise erreicht: Anrakuji-Tempel. Wenn du den Pilgerweg gehst und gleich am Morgen am Ryozenji-Tempel beginnst, dann liegt dieser Tempel in perfekter Entfernung für eine ganztägige Wanderung. Er ist einer der Standardunterkünfte für Pilger. Die Geschichte des Anrakuji-Tempels reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück und macht ihn zu einem der ältesten und wichtigsten Tempel in dieser Gegend. Unter den 88 Tempeln der Shikoku-Pilgerreise ist er einer der wenigen Shukubo-Tempel (Tempel mit Übernachtungsmöglichkeiten) und hilft seit über 400 Jahren, müde Pilger und Reisende zu kurieren.
Eine der Möglichkeiten, die der Tempel-Aufenthalt bietet, ist die Teilnahme am Gottesdienst. Umgeben von einer friedlichen und stillen Nacht, singen die Besucher Sutren und lauschen den Mönchen. Danach machen sie sich auf den Weg zum Kanjokutsu, das sich an der Rückseite der Haupthalle befindet. In der absoluten Dunkelheit der Höhle fließt ein blauer Bach, und die Besucher können bei schwachem Kerzenlicht die Ruhe genießen.
Willkommen in Kochi
Der Sonntagsmarkt und der Hirome-Markt können Ausgangspunkte für einen Besuch der Stadt Kochi sein, bei dem die berühmte Burg Kochi und der Chikurin-ji-Tempel nicht fehlen sollten.
Chikurin-ji-Tempel
Der 31. Tempel wurde 724 von dem Mönch Gyoki im Auftrag von Kaiser Shomu errichtet. Er befindet sich auf dem Berg Godai, etwa 20 Autominuten vom Stadtzentrum Kochis entfernt, und seine Hauptgottheit ist Monju Bosatsu, der “Buddha der Weisheit”.
Der Chikurin-ji-Tempel ist bekannt für seine wunderschönen Gärten mit üppigem Grün und ruhigen Wasserspielen, in denen Besucher Sutra-Kopien und Meditation praktizieren können, während sie die Aussicht auf den Garten genießen. Es ist auch möglich, Henro unter der Anleitung eines Mönchs zu erleben und tief zu verstehen.
Im Jahr 2023 wird der 1.300. Jahrestag der Gründung des Tempels gefeiert
Iwamoto-ji-Tempel
Der Iwamoto-ji-Tempel ist der 37. Tempel der 88 heiligen Stätten von Shikoku. Er steht in der Stadt Shimanto, mit dem gleichnamigen Fluss. Dieser Fluss ist für seine atemberaubende natürliche Schönheit und sein klares, sauberes Wasser bekannt. Der Fluss ist von üppigen Wäldern, sanften Hügeln und malerischen Bergen umgeben, was ihn zu einem beliebten Ziel für Outdoor-Fans, wie Wanderer, Camper und Kajakfahrer, macht. Der Iwamoto-ji-Tempel ist der einzige heilige Ort in Shikoku, an dem die fünf Hauptgottheiten verehrt werden. Aber Moment mal, was hat Marilyn Monroe dort zu suchen?
Der Tempel ist bekannt für seine 575 Deckengemälde mit Landschaften, Vögeln, berühmten Persönlichkeiten (wie Marilyn Monroe), Blumen usw., in der Hoffnung, dass Menschen aller Rassen und Religionen aus aller Welt den Tempel besuchen würden.
Das muss man gesehen haben:
Von Mai bis September bietet der Iwamoto-ji-Tempel das wohl einzigartigste Erlebnis in der Präfektur Kochi: einen Tag Zen-Meditation im Shimanto-Fluss. Seine Einzigartigkeit wurde vom Japanischen Fremdenverkehrsamt mit dem Label “Experiences in Japan” ausgezeichnet.
Praktische Reiseinfos
Japan verfügt über ein großartiges Verkehrsnetz, das tadellos funktioniert. So kommst du hin.
Internationaler Flughafen Kansai
Nimm einen Limousinenbus vom internationalen Flughafen Kansai
Zwischen Kyoto und Koyasan und zwischen dem internationalen Flughafen Kansai und Koyasan stehen zu bestimmten Zeiten Busse zur Verfügung.
So erreichst du Koyasan mit dem Zug vom internationalen Flughafen Osaka (Itami Airport), vom internationalen Flughafen Kansai oder vom Shin-Osaka aus
Nimm die Nankai-Fähre von Wakayama nach Tokushima Präfektur
Anreise nach Kochi (per Flugzeug, Zug oder Bus)
Wie man nach Tokushima kommt
Smart reisen in Wakayama (Zug & Bus)
Koyasan-Rikscha, ein einzigartiges Reiseerlebnis
Hirome-Markt
Dieser überdachte Markt im Stadtzentrum von Kochi (nur wenige Gehminuten von der berühmten Burg entfernt) ist auch als “Kochi’s Kitchen” bekannt und beherbergt etwa 65 Restaurants und Souvenirläden. Im Hirome können Besucher lokale Spezialitäten wie katsuo no tataki (gebratener Bonito) probieren. Die Freundlichkeit der Menschen erlebst du am besten an den Gemeinschaftstischen.
Sonntagsmarkt
Der Sonntagsmarkt in Kochi kann auf eine über 300-jährige Geschichte zurückblicken. Etwa 300 Geschäfte säumen die 1,3 km lange Otesuji-Straße unterhalb der Burg von Kochi. Auf dem Markt tummeln sich sowohl Einheimische als auch Touristen, die frisches lokales Gemüse und Obst, Eisenwaren, Besteck und Pflanzen verkaufen.
Unbedingt probieren solltest du Inaka-sushi (Sushi im Landhausstil), eines der traditionellen Gerichte der Präfektur Kochi. Dabei handelt es sich um eine Art Sushi, das traditionell mit frischen, aus der Region stammenden Zutaten wie Shiitake-Pilzen, Teufelszunge (konnyaku), japanischem Ingwer (myoga) oder Bambussprossen zubereitet wird.
Die Freundlichkeit der Menschen erlebst du am besten an den Gemeinschaftstischen
Japans älteste und beliebteste Pilgerrouten
Ⅰ