Tor zum Norden
Die Seele Edmontons
Edmonton funkelt wie eine Flasche Limonade. Eine grüne Metropole, in der du überall von Natur umgeben bist, mit dem größten Stadtpark Nordamerikas und einer kulinarischen Szene, für die man sterben könnte. Edmonton zelebriert das Outdoor-Stadtleben. Höchste Zeit für einen Besuch.
Am Ufer des North Saskatchewan River verleihen Bäume in tausend Grüntönen ihrem Betrachter eine Illusion von ausgedehnten Wäldern und unbewohnten Gebieten. Ihre Äste und Blätter scheinen sich in den Himmel zu strecken und den Straßenbahn-Passagieren auf der 50 Meter hohen High Level Bridge freundlich zuzuwinken. Und das orange-goldene Licht der untergehenden Sonne färbt alles noch intensiver als es ohnehin schon ist. Der Singer-Songwriter Travis Matthews singt süß über die Liebe und begleitet sich dabei auf der Akustikgitarre. Unter uns, zwischen der Wildnis am abfallenden Ufer, erhebt sich eine Stadt. Ein graues Betontal im grünen Meer der Bäume: Edmontons Wolkenkratzer Outdoor-Stadtleben. In der Naturstadt Edmonton verschmelzen diese beiden Gegensätze zu einer Einheit.
Die Straßenbahn der W6-Klasse von 1947 hat ihre Karriere vielleicht im australischen Melbourne begonnen; sie fährt seit dreizehn Jahren um Edmonton herum. Von der Edmonton Radial Railway Society liebevoll restauriert, ist sie eines der Prunk- und Vorzeigestücke der High Level Bridge Straßenbahn. “Diese historische und malerische Straßenbahnstrecke führt von Strathcona am Südufer des North Saskatchewan River nach Edmonton am Nordufer”, erklärt unser lokaler Reiseleiter Jeremy Derksen, der uns die schönsten Orte der Stadt zeigt.
“Die High Level Bridge ist im wahrsten Sinne des Wortes Edmontons Höhepunkt. Übrigens waren Strathcona und Edmonton getrennte Städte, bis sie 1912 zusammengelegt wurden.” Wer vor ein paar Jahren nach Edmonton fragte, hörte manchmal scherzhaft den Namen Deadmonton. Zugegeben, es war einmal eine ganz schön verschlafene Stadt in der kanadischen Prärie. Doch inzwischen ist die Stadt mit fast einer Million Einwohnern eine Metropole. Sie wächst wie wild, sie funkelt und zischt wie eine Flasche stark geschüttelter Limonade.
North Saskatchewan River
Die Lage auf den flachen Grasebenen der kanadischen Prärie und die Präsenz des North Saskatchewan River sind nur zwei der Gründe, warum Edmonton überhaupt existiert. Jeremy weiß: “Der Fluss entspringt im Banff Nationalpark am Saskatchewan-Gletscher und mündet in die Hudson Bay, fast 1.300 Kilometer weiter. Und wenn du denkst, dass ‘Saskatchewan’ ein kniffliger Name ist, vergiss nicht, dass er von ‘kisiskâciwanisîpiy’ stammt, so nannten ihn die Cree Indianer. Und jetzt sag’ das mal schnell achtmal hintereinander.”
Ein graues Betontal im grünen Meer der Bäume: Edmontons Wolkenkratzer
‘Der Fluss mit seiner sehr starken Strömung’, was der ursprüngliche Name ‘Cree’ bedeutet, war einst voll von Bibern. ‘Tiere mit schönem Fell’ schwärmten die frühen europäischen Jäger. Und sie jagten die Biber bis kaum noch einer übrigblieb.
Biber
Es war die erfolgreiche Jagd auf Biber, welche die Händler der North West Company veranlasste, 1795 Fort Augustus zu erbauen – nördlich vom heutigen Edmonton. Ein Jahr später folgte die heute noch existierende Hudson’s Bay Company, sie errichtete Fort Edmonton. “Die ersten Pelzjäger nannten den Fluss ‘Beaver River’. Der Handel blühte auf. Dann entstanden auf beiden Seiten des Northern Saskatchewan River – so heißt er eigentlich – kleine Siedlungen”, erklärt Jeremy. “Edmonton hatte eigentlich nie Probleme mit Wachstum. Als sie 1904 zur Hauptstadt der Provinz Alberta ernannt wurde, gab’s hier gerade mal 5.000 Einwohner. Mit dem Anschluss and die Bahn wuchs die Zahl in nur zehn Jahren auf 72.500 Einwohner. Danach ging’s auf und ab, bis 1947 in der Nähe der Stadt Öl gefunden wurde. Deshalb ist ‘Oil Capital of Canada’ auch Edmontons Spitzname.”
Lokale Waren aus fairer Produktion.
Du entdeckst gerne lokale Spezialitäten? Dann führt kein Weg um den Street Farmer’s Market herum. Der findet jeden Donnerstag spätnachmittags und jeden Sonntagnachmittag auf der 108 Avenue zwischen 124 Street und 123 Street statt. Oder geh’ zum Old Strathcona Farmers’ Market, eine Markthalle voll mit lokalen Köstlichkeiten. Ja, Edmonton überzeugt seine Besucher gerne mit vielen schmackhaften Überraschungen.
Shoppen
Shop ’til you drop. Nichts ist einfacher als das: in der West Edmonton Mall (WEM). Was für ein gigantisches Einkaufszentrum! Einkaufszentrum?! Nun, teilweise. Denn die WEM ist neben einem Paradies für Shopping-Freaks auch Erlebnispark samt skurrilen Wasserrutschen und Mega-Pool und beherbergt unter seinem Dach noch zahllose Restaurants. Das WEM ist das größte Einkaufszentrum in Nordamerika und das fünftgrößte Einkaufszentrum der Welt. Nimm dir mindestens einen Tag hierfür. Und vergiss ja nicht deine Badeklamotten.
Öl und Technik
Die ‘Hauptstadt des Öls’ ist magnetisch, und sie wächst weiter. Aber auch andere Branchen florieren in Edmonton. “In diesem Jahr wurde Edmonton zur Stadt mit den besten Arbeitsbedingungen für junge Menschen gewählt.”, sagt Jeremy. “Eine weitere Errungenschaft von Don Iveson, der 2013 im Alter von 34 Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde. Er hat hart daran gearbeitet, die Lebensqualität in seiner Stadt zu verbessern. Er baute billigere Wohnungen, stimulierte den Technologiesektor, investierte in die Kunst und baute Radwege. Wir freuen uns sehr, dass er da ist.” Ivesons Initiativen tragen Früchte. Die Stadt zieht seit Jahren Talente an und bietet Platz für nicht weniger als 90.000 Studenten, die sich auf fünf Universitäten verteilen. Kein Wunder, dass sich Googles Abteilung für künstliche Intelligenz 2017 in Edmonton niederließ.
Edmonton wurde Anfang des Jahres als Stadt mit den besten Arbeitsbedingungen für junge Menschen ausgezeichnet
Bison
Etwa 35 Kilometer östlich von Edmonton grasen zwei mächtige Bisons zwischen den Bäumen des Elk Island Provincial Parks. Ihre muskulösen Körper samt breiter und krumm-gehörnter Köpfe schmiegen sich im Wind. Ihre feuchten Nasenlöcher schnuppern aufmerksam, während ihre Ohren sich rastlos nach möglichen Gefahrenquellen hin- und herdrehen. Früher rumpelte der Boden, wenn sich riesige Bison-Herden bewegten. Das Land donnerte unter der Menge an massiven Bison-Hufen. Einst existierten mehr als dreißig Millionen Bisons auf den Flächen Nordamerikas. Der Bison stand im Zentrum der Kultur der Prärie-Indianer. Doch das Ende kam schnell. Unzählige Lederhungrige ermordeten nicht nur indianische Ureinwohner, sondern auch Abertausende von Bisons. Das ließ ihre Zahl am Ende des 19. Jahrhunderts auf einige hundert Tiere schrumpfen. Das Ende der Bisons war nah.
“1907 kaufte die kanadische Regierung die letzte Herde mit 700 Exemplaren”, erzählt Parkwächterin Samantha Beaulieu-Labelle. “Und sie kaufen dieses Gebiet. Das wurde dann rasch zu einem Nationalpark erklärt. Die wenigen Bisons wurden seitdem für die Züchtung eingesetzt. Heute weiden kanadische Bisons auch in Schottland oder Russland. Und ihre Population in Nordamerika ist wieder auf eine halbe Million Tiere angestiegen.” Eine großartige Erfolgsgeschichte.
Biber, Luchs, Elch, Schwarzbär, Hirsch und Kojoten sind nur einige der Säugetierarten im Elk Island Nationalpark.”
Doch der aufmerksame Besucher wird in dem 194 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet nicht nur Bisons sehen. “Biber, Luchse, Elche, der schwere Bär, Hirsche und Kojoten sind nur einige der anwesenden Säugetiere”, weiß Samantha. Ganz zu schweigen von den Vogelarten, von denen man hier rund 250 findet.
Kultur und Geschichte
Wer mehr über die Geschichte der Region erfahren möchte, informiert sich am besten in der Royal Alberta Hall, dem größten Museum Westkanadas. Das Museum verfügt nicht nur über eine beachtliche Sammlung historischer Objekte, auch die Architektur ist eine Augenweide.
The River Valley
Und das alles nur eine halbe Autostunde von Edmonton entfernt. Nicht, dass man die Stadt verlassen müsste, wenn man mal ganz von Natur umgeben sein will. Das Edmonton River Valley ist der größte Stadtpark in ganz Nordamerika. Er ist riesig; es gibt nicht weniger als 25 separate Parks innerhalb des Parkgeländes. “Wir haben hier hundertsechzig Kilometer Rad- und Wanderwege”, erzählt uns Fahrradführer Mike MacAnally vom Revolution Cycle, während wir mit E-Bikes durch den herrlich grünen Park pesen. “Der New Yorker Central Park passt hier 22 Mal hinein”, lacht er stolz. Du kannst hier wandern, laufen, kajaken, radfahren und mountainbiken. Und an jeder Ecke lauern tolle Panoramen. “Im Winter sieht man Leute, die hier in Schneeschuhen herumstapfen und natürlich viele Skilangläufer.” Aber nicht nur die frische Luft und die sportlichen Aktivitäten ziehen die Bürger ins River Valley.
Festivals
Egal ob Mittsommerhitze oder minus dreißig Grad, hier gibt es immer etwas zu tun. Die Stadt ist bekannt für ihre vielen Festivals, von denen viele in der Natur oder naturnah stattfinden. Wie das Heritage Festival, das an drei Tagen eine halbe Million Besucher anzieht. “Und das nicht nur im Sommer!” ruft Mike. “Auch im Winter. Im Januar kannst Du hier wunderschöne Eisburgen besuchen. Die sind echt magisch. Du kannst auf einem Eis-Thron sitzen, unter gigantischen Eiszapfen laufen oder auf einer Eisrutsche herunterpesen.” Ob du nun auf der Süd- oder Nordseite der Stadt wohnst, das Flusstal verbindet alles und ist immer in der Nähe. Outdoor Stadtleben.
Der Winter dauert lang. Er zieht sich von November bis März. Und es kann sehr, sehr kalt werden. “Aber es ist einfach, sich gegen Kälte anzuziehen”, lacht Mike. “Wir sind es gewohnt, in Schneestürmen zu grillen.” Der Winter ist auch Eishockeysaison. “Kanadier lieben Eishockey und wir, die Edmontonier, sind stolz wie Bolle auf unsere Mannschaft, die Oilers. Allerdings verlieren sie oft, haha! Es gibt dann immer eine Menge Gestöhne und Gemecker, aber wenn das nächste Spiel kommt, streifen wir wieder das leuchtend orangene Trikot an und ziehen in Massen zum Rogers Place.” Das gigantische Stadion in der Mitte der Stadt wurde 2016 eröffnet – es ist das pulsierende Herz der Stadt. Hier ein Spiel der Oilers zu besuchen, ist ein Erlebnis für sich. Besonders wenn du dir in der Pause einen Caesar Cocktail genehmigst, die kanadische Variante der Bloody Mary.
Kulinarischer Hotspot
Da die Winter lang und die Sommer relativ kurz sind, wird die Stadt besonders lebendig, wenn die Sonne sich zeigt, um Edmontons Bewohner zu küssen. Die Außenplätze der vielen ausgezeichneten Restaurants in Old Strathcona sind rasch belegt. Aber du findest sicher einen Spot, um dich von der kulinarischen Szene von Edmonton verwöhnen zu lassen.
Im kulinarischen Zentrum von Edmonton gibt es viel Leckeres zu erkunden. “Es gibt drei kulinarische Hotspots”, sagt Jeremy. “Du musst wissen, wohin du gehen willst, aber Downtown, in der 124th Street und in Old Strathcona, findest du die besten Restaurants.” In der Nähe der 124sten triffst du auf Partake, ein kleines gemütliches Bistro, das von Cyrilles Koppert betrieben wird. Er begrüßt uns auf Holländisch. Irgendwann in seinen Zwanzigern zog er nach Kanada. Sein Rindertartar und die gefüllten Teufelseier sind köstlich; ich muss aufpassen, dass ich meine Finger nicht mitesse.
Es geht was in Edmonton, so fühlt es sich an. Das ist eine echte Leistung dieser Stadt, die bis vor wenigen Jahren noch abfällig Deadmonton genannt wurde. Wie konnte sie so eine Entwicklung hinlegen? Jeremy kennt die Antwort. “Weil wir so abgelegen sind, sind wir von uns selbst abhängig. Wir haben gelernt, uns eben selbst zu organisieren und zu unterhalten. Und darin sind wir ziemlich gut geworden. Das haben wir perfektioniert.”
Das muss man probiert haben!
Es hat eine Weile gedauert. Vor kurzem eröffnete Edmonton seine eigene Destillerie, in der feiner Wodka und Gin hergestellt werden. Strathcona Spirits. Diese ausgezeichneten alkoholischen Destillate räumen alle möglichen Auszeichnungen ab. Und, psst, wir haben eine Flasche davon mitgebracht. Unter Liebhabern verlosen wir diese Flasche. Schicke uns eine E-Mail und verrate uns, warum du diese Flasche verdienst.
So kommt man dorthin
Mit KLM kannst du im Handumdrehen nach Edmonton fliegen. Im Winter kannst du deine Wintersportausrüstung kostenlos mitnehmen. Auch Air Canada fliegt dorthin. Flugtickets (hin und zurück) beginnen bei ca. 390 Euro.
Wandbilder.
Bei einem Spaziergang durch die Stadt entdeckt man erstaunliche Wandmalereien. Ein Großteil dieser Kunst verdankt Edmonton dem Engagement von Annaliza Toledo und Trevor Peters, den Organisatoren des Rust Magic Streetart-Festivals. Sie organisieren Spaziergänge durch die Stadt entlang all der Kunstwerke. Sehr nett.
Essen und Trinken
Bist du Feinschmecker? Falls du eine ‘Must eat there’-Liste hast, ich würde Edmonton auf jeden Fall aufnehmen. Und das sind die Top 7 Picks.
Farrow Sandwiches
Schmucker Hipstertreff, a-tem-be-raub-en-de Sandwiches.
Cafe Linnea
In einer alten Textilfabrik gelegen. Französische/skandinavische Küche.
Biera
Eine Bierbrauerei, die großartiges Essen serviert.
Little Brick
In einem der ältesten Häuser von Edmonton untergebracht. Niedlich-gemütlich.
Partake
Französisches Bistro im kanadischen Stil mit niederländischem Besitzer. Unbedingt die gefüllten ‘devilled eggs’ probieren!
Tres Carnales
Mexikanisches Streetfood. Die Tacos sind brillant.
Pip
Köstlich und süß. Die Gefahr der ‘Pips Benedict’ Eier besteht darin, dass du nach deren Verzehr ernsthaft über Auswanderung nachdenkst.